In diesen drei Blogartikeln möchte ich dir, liebes Elternteil, ein paar Anregungen und Ideen mitgeben, damit du dein Kind liebevoll und bedürfnisorientiert auch während der (ersten) Trennung in der Eingewöhnung begleiten kannst. Der magische Moment, der unwiderruflich kommen und auf den in der Eingewöhnung kontinuierlich hingearbeitet wird. Denn auch wenn es viel Mut, Kraft und Ausdauer kostet, einen anderen Weg zu gehen und mit den Fachkräften vor Ort immer wieder ins Gespräch zu gehen, Kompromisse auszuhandeln und neue Lösungen zu finden: Ich bin ich felsenfest davon überzeugt, dass dies der bessere Weg ist. Für uns alle. 

Die zentrale Aufgabe von Eltern und Fachkräften ist es, die Rechte der Kinder zu wahren. Dazu zählen körperliche, wie seelische Unversehrtheit (seit über 20 Jahren sogar gesetzlich verankert), damit unsere Kinder eine bestmögliche Entwicklung durchlaufen können. Konkret bedeutet dies, dass Androhungen, unter Druck setzen, Beschämung und Beschuldigung, Ignorieren wie auch Belohnungen und Strafen in der Begleitung von Kindern nicht angewendet werden dürfen. Körperliches festes Anpacken, Fixieren oder Packen und Wegtragen sind dabei untersagt. 

Das ist leicht gesagt und doch im wahren Leben manchmal gar nicht so leicht umzusetzen, insbesondere in emotionalen, stressbeladenen Situationen. Doch gerade in der Eingewöhnung lässt sich der gesamte Prozess und speziell der Moment der Trennung gut vorbereiten, eben weil wir wissen, dass es genau darauf hinausläuft. Wir können im Vorfeld vieles tun, um die Rechte der Kinder zu wahren. Wir können hier bewusst ein Zeichen setzen. Denn wie wir miteinander umgehen, wie wir vor einer Gruppe agieren, formt unser Denken und Handeln in gruppendynamischen Prozessen.

Im ersten Teil schauen wir uns an, was du bereits im Vorfeld tun kannst, um die Eingewöhnung bestmöglich mitzugestalten und die Trennung gut vorzubereiten. Der zweite Teil geht auf die missglückte Trennung ein und was im Nachgang wichtig ist, wenn es anders als erhofft laufen sollte. Im dritten Teil möchte ich noch auf die Besonderheit schauen, wenn du als Elternteil mit Situationen konfrontiert wirst, die nicht deinem Wertesystem entsprechen.

Ergänzend zu diesem Thema “Trennung in der Eingewöhnung” gibt es bereits zwei Podcastfolgen. Die erste behandelt unsere persönliche Erzählung, eine recht emotionale Episode, eben weil wir schon zwei gescheiterte Eingewöhnungen hinter uns hatten und unser Kind entsprechend vorbelastet war. In der zweiten Folge bespreche ich gemeinsam mit Andrea Dannhauser noch einmal strukturiert die wesentlichen Fragen rund um das Thema Eingewöhnung. Hör hier gerne mal rein. Dort kommen geballtes Wissen und zahlreiche Tipps zusammen.

Die erste Trennung gut vorbereiten
Zuallererst: Bitte lass dir diesen Moment nicht aus der Hand nehmen. Du kennst dein Kind am besten und kannst am besten einschätzen, was es jetzt in welcher Dosis verträgt und welche Folgen womöglich vorschnelles, unbedachtes Handeln haben kann. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo, seine persönlichen Vorlieben und seine individuellen Bedürfnisse.

Der eine fühlt sich nach drei Tagen in einer fremden Umgebung sehr wohl, findet etwas, das ihn lockt und anspricht, während andere dafür länger benötigen. Das ist völlig in Ordnung. Neue Gesichter, viele Kinder, viele Geräusche und viele Eindrücke überfordern mitunter nicht nur die Kleinsten. Hier kommen deshalb zahlreiche Fragen, die dir helfen sollen, den richtigen Moment für die erste Trennung herauszufinden und gut vorzubereiten.

  • Wie geht es dir gerade? 
  • Bist du voller Zuversicht und Vertrauen in den Prozess und dein Kind, die Fachkraft, der Einrichtung gegenüber?
  • Wie geht es deinem Kind gerade? 
  • Ist dein Kind satt, entspannt, trocken, aufgetankt, ausgeschlafen?
  • Weißt du, wie du dein Kind ganz besonders gut auftanken kannst? 
  • Was mag dein Kind gerade sehr gerne, womit spielt es am liebsten und mit wem?
  • Hat es bereits gut ins Spiel gefunden?
  • Hat es erste Kontakte mit anderen Kindern geknüpft?
  • Wie gut ist es an die Fachkraft angebunden, die die Trennung begleiten wird? Haben die beiden einen guten Draht zueinander? 
  • Hat dein Kind mit  der Fachkraft bereits versunken gespielt, sich füttern/anziehen/wickeln lassen oder sich an die Hand nehmen/mitnehmen lassen?
  • Was spielt dein Kind in der Einrichtung gerne, kann in den Flow kommen? 
  • Ist es lieber drinnen oder draußen? 
  • Was kennt dein Kind bereits von zu Hause (Mama geht auf die Toilette, telefonieren, etc.), worauf kann es sich am ehesten einlassen?
  • Weiß dein Kind genau, wo du bist, wenn du nicht da bist? 
  • Wie kann dein Kind dich sofort erreichen, wenn es Angst bekommt?
  • Woran kann die Fachkraft erkennen, dass dein Kind in Stress gerät?
  • Wie kann sich dein Kind äußern, wenn es ihm zu viel wird? 
  • Welche Strategien für einen Rückzug oder Abbruch habt ihr vielleicht im Vorfeld besprochen?
  • Wie kann die Fachkraft die Gefühle von Trauer, Wut und Frustration bei deinem Kind gut begleiten? 
  • Wie kannst du deinem Kind eine magische Brücke bauen?
  • Hast du mit deinem Kind besprochen, wie die erste Trennung ablaufen wird? 
  • Fühlen du und dein Kind sich gut vorbereitet?

Die Qualität der Bindung entscheidet
Wenn wir vor der ersten Trennung sicherstellen können, dass bereits ein erstes Bindungsband geknüpft ist, ist es auch für Eltern leichter loszulassen. Der Faktor Sicherheit betrifft alle Beteiligten. Weiß das Kind, wo seine Bindungsperson ist und hat es Strategien an der Hand, bleibt es handlungsfähig und selbstwirksam. Insbesondere bei Personalmangel und anderen Herausforderungen lassen sich mit dem Fokus auf den Bindungsaufbau entscheidende Stellschrauben gewinnen.

Auch die Uhrzeit, die Anzahl der anwesenden Kinder und die Art des Spiels können entscheidend sein. Bindungsspiele, wie kooperative und Nonsense-Spiele, die die Kinder zum Lachen bringen sowie zum gemeinsamen Miteinander bewegen, bauen Stresshormone ab. Trennungs- oder Fangspiele schaffen eine kurze (räumliche) Trennung und sorgen für fröhliche Stimmung beim Wiederfinden und Zusammenkommen. Spiele und Aktivitäten, bei denen es um Gewinnen und Verlieren geht, sind damit übrigens nicht gemeint.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, im Vorfeld eine entspannte und gelassene Stimmung zu schaffen. Hier lohnt sich der Blick auf die Bedürfnisse deines Kindes ganz besonders und die kontinuierliche Kommunikation diesbezüglich mit den Fachkräften kann den Eingewöhnungsprozess positiv beeinflussen. Einen kleinen Einblick in die Bindungsspielarten bekommst du in diesem On-Demand-Video

Kompetente Kinder
Wir dürfen und sollten die Kompetenz unserer Kinder im Eingewöhnungs- und Trennungsprozess nutzen und sie je nach Alter und Fähigkeit einbinden. Gibt es ein Codewort für den Abbruch der Trennungssituation, ein nonverbales Zeichen? Womit kann sich dein Kind bemerkbar machen, auch wenn es vielleicht eher ein stilles, ruhiges Kind ist? Für dein Kind macht es einen Unterschied, ob es sich gesehen und gehört fühlt oder ob über es entschieden wird.

Auch in der vorsprachlichen Phase zeigen uns Kinder deutlich an, was sie mögen und was nicht. Versteifen sie sich, wehren sie sich, weinen sie laut, schreien sie in Panik? Hier gilt es gut abzuwägen, wie viel wir einem Kind zumuten können. Denn nichts ist kritischer, als in diesem Moment das bereits aufgebaute Vertrauen zu zerstören. Das erleichtert weder die nächste Trennung, noch verkürzt es die Eingewöhnung. Letztlich dürfen wir unserem Kind vertrauen. Es lohnt sich, den Mut und die Kraft aufzubringen, möglichen verfrühten Trennungsangeboten seitens der Institution zu widersprechen und dein Kind zu schützen, wenn du fühlst, dass der passende Moment noch nicht gekommen ist. 

Deine Sicherheit und Klarheit werden dein Kind über die Schwelle tragen. Die in den Bindungsaufbau investierte Energie wird sich auszahlen. Schließlich soll dein Kind gerne in die außerfamiliäre Betreuung gehen, sich dort wohl- sowie sicher fühlen – idealerweise für die nächsten Monate und Jahre. Auch wenn es anfangs mehr Zeit beansprucht. Du möchtest dich sicher ebenfalls wohlfühlen und keine nagenden Sorgen in dir tragen, oder?
Gefühlsstürme
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zu all den Gefühlen, die allen Beteiligten während der Eingewöhnung begegnen können. Es macht einen Unterschied, wie die aufkommenden Gefühle begleitet werden. Können du sowie die verantwortliche Fachkraft die Trauer, Wut und vielleicht auch Aggression deines Kindes gut halten – während und im Nachgang einer emotionalen Trennung? Hat das Kind die Möglichkeit, sich seinen Gefühlen hinzugeben, sich fallenzulassen? Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ein bereits angebundenes Kind in den Armen einer Fachkraft einen Gefühlssturm durchlebt oder ob ein noch nicht angebundenes Kind durch eine zu schnelle, wenig kindgerechte Trennung Panik und Angst erlebt. Das Gleiche gilt für dich und deine Gefühle. Kannst du ihnen genug Raum geben, deinen Bedürfnissen damit auf die Spur kommen und somit gute Entscheidungen für euch beide treffen?

Gleichzeitig lassen sich diese gefühlvollen Momente gut abfedern, wenn nach der Eingewöhnungszeit viel Zeit für den Bindungstank eingeplant wird. Wenn Raum zum Besprechen des Erlebten bereitgestellt wird und dein Kind die Gelegenheit erhält, selbstwirksam und frei zu spielen. Sei es in der Natur oder in der vertrauten Atmosphäre daheim. Das gilt ebenfalls für dich.

Ergänzende Podcast-Folgen
Ein kleiner Podcast-Ausblick rundet den ersten Teil ab. Zwei Episoden sind aktuell in Planung und werden im Sommer erscheinen: „Gefühlsstürme liebevoll begleiten“ und „Schutzreflexe im Alltag“. Zwei wichtige Themen, die alles rund um eine gelungene Eingewöhnung ergänzen. Die biochemischen Vorgänge im Körper bei Gefühlsstürmen dürfen gerne mehr Beachtung finden. Für unsere Gesundheit ist es wichtig, dass sich Stresshormone im Körper wieder abbauen können. Werden sie unterdrückt und angestaut, wenn wir bewusst „die unguten Gefühle“ verschwinden lassen wollen, wie das zum Beispiel bei Ablenkungsversuchen der Fall sein kann, kann das nachhaltige Folgen für die Gesundheit haben. Bei kleinen wie großen Menschen.

Auch unsere Schutzreflexe verdienen mehr Aufmerksamkeit, allgemein im Alltag und insbesondere in der Eingewöhnung. Denn wenn der Schutzschild des Kindes hochgefahren wird, Reize in Form von Geräuschen, Gerüchen, Enge und Lautstärke als bedrohlich(er) erlebt werden, das Kind sich nicht loslösen kann, dann ist das ziemlich genau das Gegenteil einer erfolgreichen Eingewöhnung. Überdies wirken solche Erfahrungen auch noch in den Familienalltag nach.

Im zweiten Teil gehen wir auf die missglückte Trennung ein.